10.02.2020 · Moabit

Eine Insel mitten in Berlin

Die meisten Berlin-Touristen haben, auch wenn sie die Stadt zum ersten Mal besuchen, eine recht klare Vorstellung von einigen der Berliner Ortsteile. Nicht nur das alternative Kreuzberg, Charlottenburg mit seinem Kurfürstendamm oder die historische Mitte sind international berühmt. Auch die Plattenbauviertel von Marzahn-Hellersdorf oder das grüne Köpenick mit seiner Geschichte vom falschen Hauptmann sind vielen bekannt.

Mit Moabit dagegen tun sich oft sogar echte Berliner schwer. Wo fängt das eigentlich an? Wo endet es? Und was gehört alles dazu? Im alten West-Berlin hielten manche Moabit fälschlicherweise für einen Ortsteil des Wedding, obwohl es seinerzeit zum Bezirk Tiergarten gehörte. Andere verbanden mit dem Begriff nur die gleichnamige Justizvollzugsanstalt zwischen Turmstraße und Alt-Moabit. Dabei ist kaum ein Berliner Ortsteil so klar und eindeutig umrissen.

Moabit ist nämlich eine Insel. Im Süden ist es die Spree, die seine Grenze markiert, im Osten der Berlin-Spandauer Schifffahrtskanal, im Norden der Westhafenkanal und im Westen der Charlottenburger Verbindungskanal. Seinen Anfang nahm Moabit ab dem 13. Jahrhundert als Viehweidelandschaft für das nahe Berlin. Erst ab 1717 siedelte der preußische König Friedrich Wilhelm I. hier französische Hugenotten an, die Maulbeerbäume für die Seidenraupenzucht pflanzen sollten. Doch der Moabiter Boden erwies sich dafür als ungeeignet, weshalb schon König Friedrich II. den Hugenotten eine andere Lebensperspektive eröffnete: In großflächigen Zeltlokalen durften sie fortan Ausflugsgesellschaften mit Erfrischungen verköstigen, insbesondere mit Muckefuck oder „Mocca faux“ (falscher Kaffee), der zu jener Zeit in Köpenick produziert wurde. Aus den Zelten wurden bald feste Gasthäuser und parallel entwickelte sich die militärische Nutzung der Gegend mit Pulvermühlen und Exerzierplätzen. Im Zuge der industriellen Revolution siedelten sich schließlich große Betriebe wie die Borsigwerke oder die AEG Turbinenfabrik an, deren beeindruckende Backsteinarchitektur bis heute Teile des Stadtbilds prägt. Zahlreiche schlesische Arbeiter zogen in jenen Jahren zu, und erst mit ihnen entstanden die Mietshäuser-Straßenzüge, wie wir sie heute kennen. Seinen Namen hat Moabit jedoch von den französischen Siedlern. Möglicherweise lautete er ursprünglich „terre de Moab“ - in ironischer Anspielung auf das gleichnamige biblische Wüstenland, in dem sicher auch keine Maulbeerbäume wachsen wollten. Vielleicht aber hieß die originäre Form auch „mon habit“ (meine Wohnstätte).

Zur heutigen stetig wachsenden Beliebtheit dieses besonderen Teils von Mitte als Wohn- und Lebensmittelpunkt würde das jedenfalls deutlich besser passen.

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